Wald und Höhle, Goethes Faust i.

Entwicklung des Naturgefühles bei einer Natur- und Höhlenführung


 

Wald und Höhle

Faust allein.

„Erhabner Geist, Du gabst mir, gabst mir alles,

Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst

Dein Angesicht im Feuer zugewendet

Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,

Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht

Kalt staunenden Besuch erlaubst Du nur,

Vergönnest mir in ihre tiefe Brust,

Wie in den Busen eines Freunds, zu schauen.

Du führst die Reihe der Lebendigen

Vor mir vorbei, und lehrst mich meine Brüder

Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.

Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt,

Die Riesenfichte stürzend Nachbaräste

Und Nachbarstämme quetschend nieder streift,

Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert,

Dann führst Du mich zur sichern Höhle, zeigst

Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust

Geheime tiefe Wunder öffnen sich.

Und steigt vor meinem Blick der reine Mond

Besänftigend herüber, schweben mir

Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch

Der Vorwelt silberne Gestalten auf

Und lindern der Betrachtung strenge Lust


O dass dem Menschen nichts Vollkomm'nes wird,

Empfind' ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,

Die mich den Göttern nah' und näher bringt,

Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr

Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,

Mich vor mir selbst erniedrigt, und zu Nichts,

Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.

Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer

Nach jenem schönen Bild geschäftig an.

So tauml' ich von Begierde zu Genuss,

Und im Genuss verschmacht' ich nach Begierde."

 


Das Erkennen und Eingehen in die Natur ist ein Hauptthema in Goethes Werk. Anregungen dafür holte er sich auf seinen Reisen und Inspektionen durch den Thüringer Wald. Vom 13. bis 16. Juni 1782 durchstreifte er die Gegend zwischen Rennsteig und Coburg und schrieb darüber: „Ich werde durch die Berge der Ämter Sonneberg und Schalkau mich auf Steinjagd erlustigen, …„ich werde in die Gebürge reiten und nach Menschen und Gegenden umsehen … Die Landschaft ist außerordentlich schön. ...“

 

Faust kommt über die Naturerkenntnis zur Selbst- und Welterkenntnis. Er begreift nun nicht durch Bücher, sondern durch eigene Naturerfahrungen, dass er Teil der Natur ist und erlangt damit Einsicht in die Zusammenhänge zwischen sich und der Natur. Goethe schreibt hier wohl über sein eigenes Erleben der Natur und den damit verbundenen Erkenntnisgewinn. Goethe lässt seinen Faust erkennen, dass dem Menschen das Vollkommene unerreichbar bleibt aber das Streben danach den Menschen ausmacht. Wald und Höhle stehen nicht nur im Faust I. als die Symbole der Natur und widerspiegeln Goethes pantheistische Lebenseinstellung. Mephisto verspottet zwar Fausts Naturbegeisterung: „Ein überirdisches Vergnügen! In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen, …“ und er kann den Teufel „nicht mehr entbehren“, trotzdem blickt er durch die Liebe zu Gretchen, nicht der teuflischen Lust, mit anderen Augen auf die Natur. Goethe schreibt seiner Geliebten weiter: „Die Landschaft ist außerordentlich schön … Es fehlt nichts als das du nicht da bist.“